Phulo, sagenhafter alamannischer Anführer, der mit seiner Sippe in der Mitte des 5. Jahrhunderts Pfullingen gegründet haben soll.
(*Pfullingen um 924, †Pupping 994), bedeutendster Sohn Pfullingens; Eltern ungewiss, aufgrund seiner späteren Karriere jedoch höchstwahrscheinlich von adliger Abstammung; nach Besuch der Klosterschule auf der Insel Reichenau und der Domschule in Würzburg zunächst in königlichen Diensten in der Kanzlei in Köln, 968 Priesterweihe und Mönch im Kloster Einsiedeln, dann Missionar in Ungarn, 972 schließlich Bischof von Regensburg, 1052 heiliggesprochen.
Priester, später Abt von Reichenau und Bischof von Chur; in einer Urkunde von 937 verleiht ihm der deutsche König Otto I. die Fischgerechtigkeit in der oberen Echaz in Alemannien, in der Grafschaft des Grafen Hermann, im Pfullichgau („in pago Pfullichgouue”).
Da die alemannischen Gaue nach ihren Hauptorten benannt wurden, gilt dies als die erste urkundliche Erwähnung Pfullingens.
(*um 1016, †Trier 1066), Sohn von Graf Egilolf von Pfullingen und der Hazzecha von Steußlingen; 1066 auf Betreiben des Bruders seiner Mutter, des Erzbischofs Anno von Köln, zum Erzbischof von Tier ernannt und, da im Investitustreit auf königlicher Seite stehend, vor Antritt seines Amtes von Anhängern des Papstes ermordet; seine sterblichen Überreste werden auf Veranlassung des Bischofs Dietrich von Verdun in das Kloster Tholey überführt.
zwei adlige Pfullinger Frauen, die um das Jahr 1250 das Pfullinger Klarissenkloster zur heiligen Cäcilie gründen.
(†Pfullingen 1498), letzter Pfullinger Ortsherr aus dem adligen Geschlecht der Rempen; er verkauft 1487 seinen Pfullinger Besitz für 3100 Gulden an Graf Eberhard (V.) im Bart von Württemberg, Pfullingen wird damit endgültig vollständig württembergisch; ein Porträt von ihm befindet sich auf einem Stifterbild in einem Chorfenster der Tübinger Stiftskirche
(Eberhard im Bart) (*Urach 1445, †Tübingen 1496), Sohn von Graf Ludwig I. von Württemberg und Mechthild von der Pfalz; wohl der populärste Herrscher aus dem Hause Württemberg, Gründer der Universität Tübingen 1477; vereinigt 1482 durch den Münsinger Vertrag die geteilte Grafschaft Württemberg, 1495 vom deutschen König Maximilian I. zum Herzog erhoben; er kauft 1487 den Pfullinger Besitz des Caspar Remp für 3100 Gulden, Pfullingen wird damit endgültig vollständig württembergisch.
(*Urach 1515, †Stuttgart 1568), Sohn von Herzog Ulrich von Württemberg und Sabina von Bayern; bedeutendster württembergischer Herrscher im konfessionellen Zeitalter; lässt 1560 bis 1567 die alte Pfullinger Wasserburg der Rempen zu einem repräsentativen Jagdschloss im Stil der Renaissance ausbauen und die alte Holzbrücke beim Schloss durch eine Steinbrücke ersetzen.
(*um 1515, †Pfullingen 1595), letzte Pfullinger Klarissin, die um 1590 doch noch zur evangelischen Konfession übertritt; nach ihrem Tode werden die württembergischen Herzöge alleinige Herren des umfangreichen Besitzes des Pfullinger Klarissenklosters zur heiligen Cäcilie.
(*Florenz 1604, †Innsbruck 1648), Tochter von Großherzog Ferdinando I. von Toskana aus dem Hause Medici und der Christine von Lothringen, seit 1626 in zweiter Ehe verheiratet mit Erzherzog Leopold von Österreich-Tirol; während des Dreißigjährigen Krieges zeitweise Regentin der Grafschaft Achalm mit dem Hauptort Pfullingen.
Nach dem Tode ihres Mannes 1632 wird sie gemeinsam mit ihrem Schwager Kaiser Ferdinand II. und nach dessen Tod 1637 mit dessen Sohn Kaiser Ferdinand III. Mitregentin Tirols und Vorderösterreichs bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes Ferdinand Karl im Jahre 1646. Die württembergische Grafschaft Achalm mit dem Hauptort Pfullingen wird während des Dreißigjährigen Krieges vom Kaiser eingezogen und der Regentschaft Claudias unterstellt; die zeitweilige Loslösung vom württembergischen Oberamt Urach befördert den Wunsch der Pfullinger nach einer endgültigen Trennung von Urach, die schließlich 1699 unter der Führung → Wendel Laiblins erfolgt.
(*Großbettlingen 1653, †Pfullingen 1719), Sohn des Pfarrers Martin Laiblin, Ahnherr der Pfullinger Papierfabrikantendynastie Laiblin, Gerichtsscheiber; er betreibt maßgeblich die Loslösung Pfullingens aus dem Uracher Oberamt und die Errichtung eines eigenen Pfullinger Amtes 1699 – bestehend aus Pfullingen, Unterhausen, Oberhausen, Honau, Holzelfingen und Kleinengstingen, wodurch Pfullingen zur (Amts-)Stadt wird; seit 1699 Stadt- und Amtsschreiber in Pfullingen.
(*Stuttgart 1661, †Eisenach 1698), Sohn von Herzog Eberhard III. von Württemberg und Maria Dorothea Sophia von Oettingen-Oettingen, bewohnt nach dem Tod seines Bruders Carl Maximilian (1654-1689) das Schloss in Pfullingen, wo er eine Bibliothek mit rund 1000 Bänden anlegt, die er aufgrund seines Testamentes je zur Hälfte an die Universitäten Tübingen und Halle an der Saale vererbt.
(*Stuttgart 1676, †Ludwigsburg 1733), Sohn von Herzog Wilhelm Ludwig von Württemberg und Magdalena Sibylla von Hessen-Darmstadt, lässt Schloss und Stadt Ludwigsburg als neue württembergische Barockresidenz erbauen; er erhebt Pfullingen 1699 zur (Amts-)Stadt.
(*Königsbach 1779, †Solitude bei Gerlingen 1837), Sohn von Friedrich Ludwig Laiblin (1744-1808) und der Regine Barbara Löhlin, erster Pfullinger Papierfabrikant aus der Familie Laiblin; erlernt die Papierherstellung in Engberg und in der Schweiz und kauft 1801 die Papiermühle seines Großvaters Philipp Franz Löhlin, die er zur Papierfabrik ausbaut; ab 1808 Gemeinderat in Pfullingen; 1803 Eheschließung mit Christiane Braun (1785-1858), die beiden sind die Eltern von Christiane Elben (1814-1892, → Albert Elben), → Ernst Louis Laiblin d. J. und Adolf Laiblin (1818-1884), sowie die Großeltern von → Louis Laiblin, → Karl Laiblin und → Ernst Laiblin.
(*Reutlingen 1791, †Pfullingen 1861), Sohn des Konditors Friedrich Kurtz (1759-1827) und der Maria Ursula Fetzer (1766-1831), Stadtschultheiß (Bürgermeister) und Landtagsabgeordneter; nach der Einführung der Direktwahl der Gemeindeoberhäupter in Württemberg 1822 wird er von der Kreisregierung des Schwarzwaldkreises als Stadtschultheiß von Pfullingen eingesetzt, obwohl er bei der Wahl nur die zweithöchste Stimmenzahl erreicht hat, 1844 tritt er aufgrund politischer Unruhen zurück; von 1825 bis 1831 ist er zugleich Abgeordneter für das Oberamt Reutlingen in der Zweiten Kammer des württembergischen Landtags in Stuttgart.
(*1794, †1848), Stadtpfarrer Pfullingens, verheiratet mit Louise Uhland, der Schwester des Tübinger Dichters und Politikers Ludwig Uhland, der des öfteren bei seiner Schwester und seinem Schwager im Pfullinger Pfarrhaus (am heutigen Laiblinsplatz) zu Besuch weilt.
(*Stuttgart 1806, †Pfullingen 1861), Sohn des Schriftleiters des „Schwäbischen Merkurs“, Prof. Christian Gottfried Elben (1754-1829) und der Sofie Karoline Feuerlein (1772-1847), Papierfabrikant; er heiratet 1832 Christiane („Nanni“) Laiblin (1814-1892), die Tochter des Pfullinger Papierfabrikanten → Ernst Louis Laiblin d. Ä. und wird später Teilhaber an der Papierfabrik Laiblin; der gemeinsame Sohn Albert Elben d. J. (1834-1902) wird Papierfabrikant in Neu-Ulm.
(*Balingen 1806, †Reutlingen 1875), Sohn des Schuhmachers Jacob Friedrich Bames und der Anna Maria Walker, seit 1831 verheiratet mit Heinrike Barbara Schlegel, der Tochter des Pfullinger Nadlers, Kaufmanns und Stadtrates Jacob Friedrich Schlegel und der Susanne Margarete Häberlin; Präzeptor an der Pfullinger Lateinschule, Dichter und Chronist; 1830 bis 1846 Präzeptor (Lehrer) an der Pfullinger Lateinschule, 1846 Wechsel an das Lyzeum in Reutlingen; verfasst u. a. eine „Chronica von Reutlingen“, in welche er eine „Ortschronik von Pfullingen“ einarbeitet.
(*Straßburg 1807, †Pfullingen 1870), Wundarzt; er pachtet 1845 das Pfullinger Schloss, das er dann 1850 für 9000 Gulden käuflich erwirbt, um darin eine „Heil- und Pflegeanstalt” für vermögende psychisch kranke Menschen einzurichten. Diese „Flamm’sche Anstalt” wird von seinem Sohn, Dr. med. Otto Flamm (1838-1891), weitergeführt und um mehrere Gebäude, darunter eine neugotische Schlosskirche, erweitert. Die Anstalt besteht bis 1922.
Das Familiengrab der Familie Flamm, das eine beachtliche Größe besitzt, ist noch heute auf dem Pfullinger Friedhof – gegenüber von den Familiengräbern der Familie Laiblin – erhalten, die beiden Grabtafeln sind jedoch unleserlich.
(*Pfullingen 1817, † Pfullingen 1892), Sohn des Papierfabrikanten → Ernst Louis Laiblin d. Ä. und der Christiane Braun, 1884 Eheschließung mit Laura Larissa Lang (1816-1882), der gemeinsame Sohn ist → Louis Laiblin; Pfullinger Papierfabrikant, Erbauer der Villa Laiblin; er lässt 1885 mehrere angekaufte Häuser im Stadtzentrum abreißen und an ihrer Stelle einen Platz anlegen, der ihm zu Ehren „Laiblinsplatz” genannt wird; 1889 Verleihung des Titels „Kommerzienrat” anlässlich des silbernen Regierungsjubiläums des Königs Karl von Württemberg.
(*Adolzfurt 1839, †Pfullingen 1924), Sohn des Direktors der Hofdomänenkanzlei des Fürsten zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, Ludwig Josef Krauß, und der Apollonia Kober, verheiratet mit Agnes Blezinger (1846-1925); Papierfabrikant und Landtagsabgeordneter; er wird 1863 gemeinsam mit seinem Bruder Paul Krauß (1838-1913) Teilhaber der Papierfabrik J. Krauß Erben, seit 1885 Gemeinderat in Pfullingen, 1895 bis 1900 als Mitglied der natinalliberalen Deutschen Partei (DP) Abgeordneter für das Oberamt Reutlingen in der Zweiten Kammer des württembergischen Landtags; Mitglied und später Ehrenmitglied des Schwäbischen Albvereins, in dessen „Lichtensteingau“ er zeitweise Vorsitzender ist.
(*1850, †Reutlingen 1921), Sohn des Papierfabrikanten Adolf Laiblin (1819-1884) und der Berta Finckh (1828-1909), Bruder des → Ernst Laiblin, Enkel des → Ernst Louis Laiblin d. Ä., Neffe der Christiane Elben (1814-1892, → Albert Elben) und des → Ernst Louis Laiblin d. J., Cousin des → Louis Laiblin; verheiratet mit Emilie Fleischhauer (1849-1920); Papierfabrikant, 1901 Ehrenbürger der Stadt Pfullingen und Königlich Württembergischer Kommerzienrat; ab 1882 wohnhaft in Reutlingen, wo er und seine Frau auf dem Friedhof unter den Linden begraben liegen.
(*Dettingen am Albuch 1853, †Tübingen 1932), Sohn des Schultheißen (Bürgermeisters) Johannes Maier und der Marie Jooß, verheiratet mit Wilhelmine Auguste Schreiber, Pfarrer und Schriftsteller; 1887 Helfer (2. Stadtpfarrer) in Pfullingen, 1898-1924 1. Stadtpfarrer in Pfulingen; Mitarbeit bei der Reutlinger Oberamtsbeschreibung sowie zahlreiche Veröffentlichungen zur Kirchen- und Ortsgeschichte und zur Genealogie.
(*1853, †1920), Sohn des Papierfabrikanten Adolf Laiblin (1819-1884) und der Berta Finckh (1828-1909), Bruder des → Karl Laiblin, Enkel des Ernst Louis Laiblin d. Ä., Neffe der Christiane Elben (1814-1892, → Albert Elben) und des → Ernst Louis Laiblin d. J., Cousin des → Louis Laiblin; verheiratet mit Elise Sigel (1859-1920); Papierfabrikant und Major der Landwehr-Kavallerie, 1901 Ehrenbürger der Stadt Pfullingen; er bewohnt die von seinem Großvater erbaute „alte” Villa Laiblin (daher auch „Majorsvilla” genannt) und lässt 1895 den nach seiner Gattin benannten Elisenweg auf den Übersberg bauen; die Ernsthütte und die Elisenhütte sind ebenfalls nach dem „Majorsehepaar” benannt.
(*Pfullingen 1861, †Tübingen 1927), Sohn von Kommerzienrat → Ernst Louis Laiblin d. J. und Laura Larissa Lang, 1885 Eheschließung mit Helene Fleischhauer (1863-1897); großzügiger Mäzen aus der Pfullinger Papierfabrikantendynastie Laiblin, stiftet u. a. den Schönbergturm (1906), das Schützenhaus und die Pfullinger Hallen (1907), 1907 Ehrenbürger der Stadt Pfullingen, 1917 Königlich Württembergischer Geheimer Hofrat, 1925 Ehrensenator der Universität Tübingen.
(*Biberach 1861, †Stuttgart 1930), Sohn des Oberlehrers Johannes Kuppinger, verheiratet mit Berta Riekert; Pfarrer und Schriftsteller; 1899 2. Stadtpfarrer in Pfullingen, von 1924 bis zu seinem Tod 1. Stadtpfarrer; veröffentlicht u. a. „Pfullingen und Umgebung“ (1909) und initiiert 1907 die Gründung der Pfullinger Volksbibliothek, aus der die heutige Stadtbücherei hervorgegangen ist.
(*Schweinfurt 1862, †München 1938), Architekt; Hauptwerke: Garnisonkirche in Ulm (1906-1908), Universität in Jena (1905-1908), Kunstgebäude in Stuttgart (1910-1913); er entwirft im Auftrag des Mäzens → Louis Laiblins mehrere Bauwerke in Pfullingen: Erlenhof (1904-1906), Pfullinger Hallen (1904-1907), Schönbergturm (1905), vier Musterhäuser für Arbeiter in der Hohmorgenstraße (1904-1910) und das Schützenhaus (1906).
(*Sulzbach am Kocher 1870, †Pfullingen 1954), Sohn des Mühlen- und Sägewerksbesitzers Samuel Langbein (1835-1896) und der Karoline Schwarz (1841-1879), verheiratet mit Ottilie Perrenon; ärztlicher Standespolitiker; ab 1897 praktischer Arzt in Pfullingen, 1926 bis1933 Präsident der Württembergischen Ärztekammer, in der NS-Zeit wird er als Nichtparteimitglied von allen berufspolitischen Aktivitäten ausgeschlossen und widmet sich ganz seiner Pfullinger Praxis, 1946 bis 1949 erster Nachkriegspräsident der Ärztekammer Württemberg-Hohenzollern, 1948 Ehrensenator der Universität Tübingen.
(*Ulm 1872, †Tübingen 1957), verheiratet mit Emma Sülzer, Pfarrer und Lokalhistoriker; 1930-1938 1. Stadtpfarrer in Pfullingen; Veröffentlichungen zur Ortsgeschichte (Mitarbeit an Dr. Wilhelm Kinkelins Pfullinger Heimatbuch 1937 und 1956) sowie insbesondere genealogische Forschungen („Pfullinger Sippenbuch” 1954).
(*1888, †1964), ehemaliger Missionar, Mineralwasserhändler, Gastwirt („Lamm”) und engagierter Kommunalpolitiker; er setzt sich nach der Zwangseingemeindung Pfullingens nach Reutlingen durch die französische Besatzungsmacht 1945 hartnäckig und letztlich erfolgreich für die Wiedererlangung der Selbständigkeit Pfullingens ein, die schließlich 1948 durch Beschluss des Landtags von Württemberg-Hohenzollern erfolgt; der Weg beim Haus am Stadtgarten ist nach ihm benannt.
(*Denkendorf 1891, †Ebersbach/Fils 1945), Sohn des Likör- und Senffabrikanten Carl Kauffmann und der Fanny Reiff, verheiratet mit der Kunsthistorikerin Dr. phil. Gertrud Gradmann; Volks- und Kunstpädagoge.
1922 bis 1931 ist Fritz Kauffmann Studienrat an der Realschule in Pfullingen, ab 1928 als Schulleiter. 1931 geht er als Professor für Kunst- und Zeichenunterricht an die Pädagogische Akademie in Halle an der Saale. 1933 wird er durch die Nazis zwangspensioniert und lebt danach bis zu seinem Tode 1945, verursacht durch einen Verkehrsunfall, als Kunstschriftsteller in Ebersbach an der Fils. Dort ist heute eine Straße nach ihm benannt und ein Raum im städtischen Museum seinem Andenken gewidmet.
In seiner Pfullinger Zeit ist Fritz Kauffmann als Reformpädagoge (Öffnung der Schule für die Bevölkerung, Organisation von Theateraufführungen wie zum Beispiel „Konradin, der letzte Hohenstaufe“ 1927) und städtischer Kunstsachverständiger (Testamentsvollstrecker des Mäzens → Louis Laiblin nach dessen Tod 1927, Entwurf für das Gefallenen-Ehrenmal auf dem Friedhof 1931) tätig und darüber hinaus lokalpolitisch aktiv. Als aufrechter Demokrat ist er seit 1920 Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), welche zusammen mit dem Zentrum und den Sozialdemokraten Träger der Weimarer Demokratie ist. Er wird daher bereits 1924 von der lokalen Nazi-Größe Albert Götz als „Verräter und Nestbeschmutzer am deutschen Wesen“ verunglimpft, was ihn aber nicht daran hindert, sich weiterhin für die junge Demokratie einzusetzen.
(†1958), Betreiberin einer Wäscherei, eine der Protagonistinnen des „Pfullinger Frauenaufstands” vom April 1945.
Der Kampfkommandant Julius Kieß – ein gelernter Sparkassenangestellter – will im April 1945 „die Festung Pfullingen” bis zum letzten Mann gegen die vorrückenden französischen Truppen verteidigen. Er denkt sogar daran, bekannte Regimegegner wie den Fabrikanten Albert Gayler vor ein Standgericht bringen oder französische Kriegsgefangene erschießen zu lassen.
Als sich zahlreiche Pfullinger Frauen, von denen viele ihre Männer und Söhne im Krieg verloren haben, und die nun nicht auch noch ihr eigenes Leben und das ihrer kleinen Kinder und Enkel und ihr Hab und Gut verlieren wollen, am 20. April 1945 vor dem Rathaus versammeln und Kieß auffordern, die Panzersperren räumen zu lassen, weigert sich dieser, Zugeständnisse zu machen und weist „die Weiber” schroff ab. Selbst auf Drängen des Bürgermeisters Johannes Broß lenkt er nicht ein. Die Frauen machen ihrer Stimmung durch drohende Rufe und Beschimpfungen Luft und schließlich beginnen einige, das Rathaus zu stürmen. Der Bürgermeister versucht vergeblich, die Aufrührerinnen zu besänftigen. Als der Polizeichef sich weigert, der Aufforderung des Kampfkommandanten, Gewalt anzuwenden, nachzukommen und auch ein anwesender Feuerwehrlöschzug aus Mannheim nichts gegen die aufgebrachten Pfullingerinnen auszurichten vermag, bleibt Kieß nichts anderes mehr übrig, als sein Heil in der Flucht zu suchen und sich durch einen Sprung aus einem rückwärtigen Fenster des Rathauses vor den Frauen in Sicherheit zu bringen.
Während die lokale NS-Prominenz sich schleunigst absetzt, riskiert die Wäscherin Sofie Schlegel – deren Tochter aus erster Ehe, Marianne Schmid, welche an Epilepsie gelitten hatte, durch die Nazis zwangssterilisiert und später von zwei mysteriösen Herren zu einer „Spazierfahrt” nach Grafeneck eingeladen worden war, wo sie im Rahmen des so genannten „Euthanasie”-Programms ermordet wurde – ihr Leben, um Pfullingen vor der Zerstörung zu retten.
So fungiert sie eineinhalb Tage lang als Parlamentärin, am 21. April signalisierte sie den französischen Truppen in Reutlingen, welches diese am Tag zuvor besetzt haben, dass Pfullingen kampflos übergeben werde, und am 22. April zieht sie – ähnlich wie Oskar Kalbfell in Reutlingen – mit dem ersten der anrückenden französischen Panzer in Pfullingen ein. Damit trägt sie maßgeblich dazu bei, dass nicht unnötig weiteres Blut vergossen wird und dass die Stadt Pfullingen nahezu unzerstört bleibt.
Während Oskar Kalbfell kurz nach seinem „Einzug” in Reutlingen zum Oberbürgermeister dieser Nachbarstadt Pfullingens wird und noch Jahrzehnte später eine Linde zum Gedenken an seine mutige Tat gepflanzt wird, ist Sofie Schlegels nicht weniger mutige Tat heute in Pfullingen – wie überhaupt der ganze Frauenaufstand – weitgehend in Vergessenheit geraten. Mehrere Versuche, eine Straße nach ihr zu benennen oder wenigstens eine Gedenktafel aufzustellen, sind bis heute im Sande verlaufen.
(*Pfullingen 1896, +Pfullingen 1990), Sohn des Bäckers Johann Jakob Kinkelin, Arzt und Lokalhistoriker; Verfasser des Pfullinger Heimatbuchs anlässlich der Tausendjahrfeier 1937, das er 1956 in modifizierter Form erneut herausgibt.
Kinkelin schließt sich schon bald nach dem Ersten Weltkrieg der völkischen Bewegung an und wird zum überzeugten Anhänger des Nationalsozialismus. Er macht als eifriger Verfechter der „Blut- und Boden-Ideologie” eine steile Karriere bei der SS (1943 SS-Brigadeführer) und wirkt als Ministerialdirigent im Ostministerium an der „Germanisierung der unterworfenen Völker” mit. 1945 bis 1949 ist er inhaftiert, 1949 wird er in einem Entnazifizierungsverfahren als „minderbelastet” eingestuft und er erhält für fünf Jahre Berufsverbot, das aktive und passive Wahlrecht aberkannt und darf sich so lange auch nicht in öffentlichen Ämtern oder als öffentlicher Redner oder Schriftsteller betätigen. Diese Auflagen werden jedoch schon bald darauf durch eine allgemeine Amnestie aufgehoben.
Das Pfullinger Heimatbuch von 1937 atmet den entsprechenden Zeitgeist, so stellt Kinkelin beispielsweise seinem Vorwort ein Zitat Adolf Hitlers voran. Bei der Ausgabe von 1956 wäscht er zwar die offensichtliche „braune Farbe” von seinem Geschichtsbild ab, Ansatz und Anlage des Werkes behält er allerdings bei, erweitert jedoch alte Beiträge und nimmt einige neue auf. Das Heimatbuch von 1956 stellt trotz mancher ideologischer Überbleibsel eines der wichtigsten publizierten Werke zur Geschichte Pfullingens dar, es muss jedoch mit einem entsprechend kritischen Blick gelesen und interpretiert werden.
(*Pfullingen 1907, †in einem Kriegsgefangenenlager nahe Swerdlowsk, dem heutigen Jekaterinburg 1943), Sohn des Bauern Johannes Schwille (†1933) und der Christiane Barbara Fink (†1939), Bruder der → Frieda Schwille; Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime.
Die Familie Schwille tritt 1924 aus der Evangelischen Landeskirche aus und in eine biblische Gemeinde ein. Friedrich Schwille meldet sich 1940, obwohl er beruflich unabkömmlich, und damit vom Kriegsdient befreit ist, als Freiwilliger bei der Wehrmacht, um demonstrativ aus religiösen Gründen die Eidesleistung und den Wehrdienst zu verweigern und damit ein Zeichen gegen das NS-Regime zu setzten. Er wird daraufhin zuerst zum Tode verurteilt, die Strafe wird jedoch auf drei Jahre Gefängnis reduziert, die er nach dem „Endsieg“ absitzen soll, falls er Sanitätsdienst an der Ostfront leistet. Er gerät 1942 in sowjetische Kriegsgefangenschaft und stirbt 1943 in einem sibirischen Gefangenenlager.
(*Pfullingen 1910, †Konzentrationslager Dachau 1944), Tochter des Bauern Johannes Schwille (+1933) und der Christiane Barbara Fink (+1939), Schwester des → Friedrich Schwille; Widerstanskämpferin gegen das NS-Regime.
Die Familie Schwille tritt 1924 aus der Evangelischen Landeskirche aus und in eine biblische Gemeinde ein. Frieda Schwille, die mit der Widerstandsgruppe um die Stuttgarter Familie Schlotterbeck in Kontakt steht, wird im Juni 1944 von der Gestapo verhaftet und nach Stuttgart gebracht. Am 30. November 1944 wird sie zusammen mit neun weiteren Personen der Stuttgarter Widerstandsgruppe Schlotterbeck im Konzentrationslager Dachau hingerichtet.
(*1921, †2006), Bauingenieur, Unternehmer und Kommunalpolitiker (SPD); er ist über vierzig Jahre Mitglied im Gemeinderat der Stadt Pfullingen und viele Jahre stellvertretender Bürgermeister; 1996 wird er in Anerkennung seiner Leistungen zum Ehrenbürger Pfullingens ernannt.
(*1930, †2008), Oberstudiendirektor, Rektor des Pfullinger Friedrich-Schiller-Gymnasiums, Kommunal- und Landespolitiker (CDU); lange Jahre Mitglied im Gemeinderat der Stadt Pfullingen und stellvertretender Bürgermeister; 1976 bis 1988 Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg (Wahlkreis Hechingen-Münsingen); 2005 wird er in Anerkennung seiner Leistungen zum Ehrenbürger Pfullingens ernannt.